Illustration InnoRAD Autofreie Straßen

Bogotá setzt an Sonn- und Feiertagen auf autofreie Straßen. © ADFC/April Agentur

Temporär autofrei in Bogotá und Stockholm

Autofreie Monate und Sonntage in Bogotá und Stockholm sind ein Paradies für Menschen, die gern zu Fuß und mit dem Rad unterwegs sind. Das ADFC-Projekt InnoRAD stellt die Erfolgsbeispiele vor und zeigt, dass die Idee auch in Deutschland anwendbar ist.

Stockholm und Bogotá, die Hauptstädte von Schweden und Kolumbien, haben ein Konzept für autofreie Straßen. In beiden Metropolen gibt es einen starken politischen Willen, den öffentlichen Raum für die Bürger*innen lebendiger und attraktiver zu machen.

Durch autofreie Sommermonate oder Sonn- und Feiertage eröffnen diese Städte ihre Straßen für den Fahrrad- und Fußverkehr und schaffen damit Begegnungszonen frei von Abgasen und Verkehrslärm.

Ciclovía – autofreie Sonn- und Feiertage in Bogotá

Jeden Sonntag sowie an Feiertagen sind viele Straßen in Bogotá autofrei. Das sonntägliche Paradies gibt es seit mehr als 45 Jahren. Rund 70 Mal im Jahr können für Radfahrende und Fußgänger*innen auf 127 Kilometern autofreien Straßenraum Rad fahren oder flanieren.

Ungestört vom Kfz-Verkehr begegnen sich fast ein Fünftel der Bevölkerung Bogotas, also durchschnittlich rund 1,7 Mio. Menschen. Sie machen gemeinsam Sport oder besuchen die zahlreichen (Verkaufs)Stände und Bühnen mit Musik, wo sonst der Verkehr im Stau steht.

Perspektivwechsel durch Radfahren

Die große wöchentliche  Veranstaltung ist als Ciclovía bekannt, sehr beliebt und dank ihrer 45-jährigen Tradition auch nicht mehr wegzudenken. Sie schafft Raum für Entspannung, Bewegung und Begegnung; sie animiert zum Radfahren und gehört für viele Familien zum Sonntagsprogramm.

Ciclovía war als Lobbyinstrument gedacht und sollte Menschen zu mehr aktiver Bewegung animieren sowie das Fahrrad als Verkehrsmittel attraktiver machen und so der Vorstellung entgegenwirken, dass das Auto den Verkehr in der Metropole bestimmt. Sie bringt nun jeden Sonntag fast 2 Mio. Menschen einen gesünderen und lebenswerteren öffentlichen Raum näher.

 

Durchdachtes Netz

Die 127 Kilometer autofreier Straßen sind in zehn Hauptachsen unterteilt, die 145 Routen unterschiedlicher Länge sowie Rundkurse bieten. Das Ciclovía-Netz ist so gedacht, dass alle der fast neun Millionen Einwohner*innen Bogotás innerhalb von etwa fünf Minuten die Schnittstelle zu einer der autofreien Routen erreichen.

Vielfältige Vorteile

Mit Ciclovía hat Bogotá schon vor Jahrzehnten die Gesundheit der Bürger*innen ganz oben auf die Agenda gesetzt. Ohne Autos trauen sich viel mehr Menschen aufs Fahrrad. Doch aktive Bewegung bringt nicht nur gesundheitliche Vorteile, es entstehen auch Begegnungszonen, die sonst nicht vorhanden sind: „Ciclovía ist die einzige Veranstaltung in Bogotá, die Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen zusammenbringt“, sagt Melissa Gómez. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im ADFC-Projekt InnoRAD und stammt aus Bogotá.

In einer Stadt, die von der Spaltung zwischen Arm und Reich geprägt ist, habe Ciclovía einen wichtigen Beitrag für die soziale Integration und das Miteinander der Menschen in der Stadt geleistet, so Gómez.

Stadtentwicklung und Radverkehr: Die besten internationalen Ideen

Immer mehr Kommunen entwickeln innovative Konzepte für lebenswerte Orte mit dem Menschen im Mittel­punkt durch weniger Autoverkehr und mehr Platz fürs Fahrrad. Ihr Ziel ist es, neben der Einsparung von Treibhausgasemissionen, den Anteil des Rad­verkehrs zu erhöhen und so für alle vor Ort die Lebens-, Aufenthaltsquali­tät und die Verkehrssicherheit zu verbessern. Im Projekt „InnoRAD“ wurden besonders erfolgreiche Best- Practice-Beispiele aus der internationalen Radverkehrs­förderung ausgewählt und deren Anwendung im deutschen Rechtsrahmen geprüft. Von den Superblocks in Barcelona über die autofreien Tage in Bogotá bis zu den Mini-Hollands in London geht es den politischen Entscheidungsträger*in­nen vor allem um eines: Sie wollen lebenswerte Stadträume für die Menschen schaffen, die sich in der Stadt bewegen.  Das Booklet InnoRAD - Stadtentwicklung und Radverkehr: Die besten internationalen Ideen zeigt Wege auf, wie auch in Deutschland inno­vative Ideen aus dem Ausland umgesetzt werden können, um den Radverkehrsanteil zu erhöhen. Im Zentrum der Recherchen standen Städte, die es geschafft haben, in relativ kurzer Zeit viel zu verändern. Das Booklet steht in der blauen Medienbox zum Download zur Verfügung.

 

Stockholms autofreie Sommer

„Levande Stockholm – lebendiges Stockholm“ heißt das Programm zu den Sommerstraßen der schwedischen Hauptstadt. Von Mitte Mai bis Mitte September werden mehrere Straßen des Stockholmer Stadtzentrums für motorisierten Verkehr geschlossen und in Fußgängerzonen mit Pflanzen, Möbeln und Pop-up-Parks umfunktioniert.

Das Programm begann 2015 mit zwei autofreien Straßen, doch es stieß schnell auf Begeisterung der Bürger*innen. So erweiterte die Stadt die Sommerstraßen jedes Jahr um weitere Straßen und bis in die Außenbezirke. 2017 wurden erste Straßen auch in Wintermonaten für Autos gesperrt.

Entscheidend für den Erfolg der Sommerstraßen in Stockholm war die Kommunikation mit der Bevölkerung: Sowohl Anwohner*innen als auch Inhaber*innen der Geschäfte der Bezirke mit den Sommerstraßen wurden befragt, ihre Vorschläge und Bedürfnisse aufgenommen und bei den Planungen berücksichtigt.

Kultur autofrei

Die autofreien Straßen wurden schnell gefüllt: Die Stadtplaner arbeiteten mit Kulturverwaltung und Kulturschaffenden zusammen, um den neu gewonnenen Raum auch inhaltlich aufzuwerten.

Es ist wichtig, dass die neu gewonnenen Räume für Fußgänger*innen und Radfahrende auch eine neue Funktion erhalten und nicht durch die Nutzungsweise vom motorisierten Verkehr geprägt sind“, sagt Melissa Gómez vom ADFC.

Werden Straßen weiterhin auf dieselbe Art und Weise wie vor der Umfunktionierung benutzt, lassen die Potenziale des öffentlichen Raums nicht ausgeschöpft, sagt Gómez.

Durch Ausprobieren lernen

Schon nach kurzer Zeit zeigten sich in Stockholm positive Ergebnisse: Das Programm Sommerstraßen führte zu einer Belebung der Stadtviertel. Außerdem konnten sich Menschen in den vom Auto befreiten Straßen begegnen, sich bewegen und Sport treiben.

Der temporäre Ansatz des Programmes gab Menschen die Möglichkeit, unverbindlich die Alternativen des städtischen Lebens jenseits der autozentrierten Stadtplanung in Augenschein zu nehmen. Sie konnten die Sommerstraßen als Experiment ansehen und entdecken, was eine lebenswerte Stadt für sie persönlich bedeuten kann.

Für die Stadtverwaltung sind die Erkenntnisse und Rückmeldungen der Bevölkerung ein wichtiges Feedback, das eine Richtung für dauerhafte Veränderungen im Stadtraum weisen kann.

Varianten und Gestaltungsmöglichkeiten

Eine abschließende Liste mit Maßnahmen gibt es nicht. Ideen für die Umgestaltungen entwickeln sich am besten aus den Bedürfnissen der Bevölkerung und der lokalen Gegebenheiten heraus.

Das ADFC-Projekt InnoRAD hat für deutsche Städte und Kommunen recherchiert, welche Maßnahmen in Deutschland anwendbar und nach geltenden Vorschriften zulässig sind:

  • Infopoints für Teilnehmer*innen und Interessierte
  • Pop-Up-Parks
  • Möbel zum Verweilen und Bepflanzungen
  • Kultur und Kunst wie Schach, Ausstellungen, Open Mic-Events, Straßen-Graffiti-Aktionen
  • Sport, Erholung und körperliche Aktivitäten wie Fahrradunterricht, Basketball, Tanz oder Yoga
  • Informationstafeln rund um Themenblöcke wie Gesundheit, Wissenschaft und Technik
  • Rad- und Laufwettbewerbe, Parcours für Hunde o. ä.
  • Streetfood oder ausgeweitete Außengastronomie ansässiger Restaurants
  • soziale Entwicklung (Kampagnen, Workshops)
  • Fahrradreparaturen und Reparaturkurse, mobile Fahrradwaschanlage
  • öffentliche Trinkwasserspender

Weitere Informationen zur Ciclovía und zu den Sommerstraßen gibt es im InnoRAD-Factsheet in der blauen Servicebox.

Logos: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Bundesumweltamt
Logos: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Bundesumweltamt © BMU / UBA

Dieses Projekt wurde gefördert durch das Umweltbundesamt und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Die Mittelbereitstellung erfolgt auf Beschluss des Deutschen Bundestages.
Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen und Autoren.

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  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

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  • Worauf sollte ich als Radfahrer achten?

    Menschen, die Rad fahren oder zu Fuß gehen, gehören zu den ungeschützten Verkehrsteilnehmern. Sie haben keine Knautschzone – deshalb ist es umso wichtiger, sich umsichtig im Straßenverkehr zu verhalten. Dazu gehört es, selbstbewusst als Radfahrender im Straßenverkehr aufzutreten, aber gleichzeitig defensiv zu agieren, stets vorausschauend zu fahren und mit Fehlern von anderen Verkehrsteilnehmern zu rechnen.Passen Sie Ihre Fahrweise der entsprechenden Situation an und verhalten Sie sich vorhersehbar, in dem Sie beispielsweise Ihr Abbiegen durch Handzeichen ankündigen. Halten Sie Abstand von Lkw, Lieferwagen und Kommunalfahrzeugen. Aus bestimmten Winkeln können Fahrer nicht erkennen, ob sich seitlich neben dem Lkw Radfahrende befinden. Das kann bei Abbiegemanövern zu schrecklichen Unfällen führen. Beachten Sie immer die für alle Verkehrsteilnehmer gültigen Regeln – und seien Sie nicht als Geisterfahrer auf Straßen und Radwegen unterwegs.

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  • Was ist der Unterschied zwischen Pedelecs und E-Bikes?

    Das Angebot an Elektrofahrrädern teilt sich in unterschiedliche Kategorien auf: Es gibt Pedelecs, schnelle Pedelecs und E-Bikes. Pedelecs sind Fahrräder, die durch einen Elektromotor bis 25 km/h unterstützt werden, wenn der Fahrer in die Pedale tritt. Bei Geschwindigkeiten über 25 km/h regelt der Motor runter. Das schnelle Pedelec unterstützt Fahrende beim Treten bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h. Damit gilt das S-Pedelec als Kleinkraftrad und für die Benutzung sind ein Versicherungskennzeichen, eine Betriebserlaubnis und eine Fahrerlaubnis der Klasse AM sowie das Tragen eines Helms vorgeschrieben. Ein E-Bike hingegen ist ein Elektro-Mofa, das Radfahrende bis 25 km/h unterstützt, auch wenn diese nicht in die Pedale treten. Für E-Bikes gibt es keine Helmpflicht, aber Versicherungskennzeichen, Betriebserlaubnis und mindestens ein Mofa-Führerschein sind notwendig. E-Bikes spielen am Markt keine große Rolle. Dennoch wird der Begriff E-Bike oft benutzt, obwohl eigentlich Pedelecs gemeint sind – rein rechtlich gibt es große Unterschiede zwischen Pedelecs und E-Bikes.

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  • Gibt es vom ADFC empfohlene Radtouren für meine Reiseplanung?

    Wir können die Frage eindeutig bejahen, wobei wir Ihnen die Auswahl dennoch nicht leicht machen: Der ADFC-Radurlaubsplaner „Deutschland per Rad entdecken“ stellt Ihnen mehr als 165 ausgewählte Radrouten in Deutschland vor. Zusätzlich vergibt der ADFC Sterne für Radrouten. Ähnlich wie bei Hotels sind bis zu fünf Sterne für eine ausgezeichnete Qualität möglich. Durch die Sterne erkennen Sie auf einen Blick mit welcher Güte Sie bei den ADFC-Qualitätsradrouten rechnen können.

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