Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Landesverband Baden-Württemberg e. V.

Rückenwind für den Radverkehr - was wir von den Niederlanden lernen können

In seinem Bildervortrag erläuterte Thomas Gotthardt vom ADFC Göppingen, wie eine erfolgreiche Radverkehrspolitik Menschen zum Umsteigen aufs Rad motivieren kann. Dabei spielt das Sicherheitsgefühl eine große Rolle.

Vortrag „Von unseren Nachbarn lernen“
Vortrag Thomas Gotthardt © K. Beckmann

Auf Einladung des ADFC auf den Fildern und des Radbündnis Filder räumte Thomas Gotthardt vor gut gefüllten Reihen in der Echterdinger Zehntscheuer zunächst mit einigen Mythen auf, so zum Beispiel, die Niederlande seien "kein Autoland". Bis in die 70er Jahre seien die Niederlande eine Industrienation wie viele andere gewesen: Auto-fixiert um den Preis verstopfter Straßen, eines zunehmenden Risikos für schwächere Verkehrsteilnehmende und des Verlusts an innerstädtischer Lebensqualität.  Dann wären jedoch immer mehr Kommunen auf eine konsequente Förderung des Radverkehrs umgestiegen - mit großem Erfolg: So sei es niederländischen Städten gelungen, den Radverkehrsanteil auf bis zu 60% zu steigern.

Diese Entwicklung käme allen zugute: Die Stadtviertel seien dadurch ruhiger, sauberer und lebendiger geworden. Je mehr Radfahrende unterwegs sind, desto besser komme der Autoverkehr voran. Auch der Einzelhandel profitiere von einer steigenden Attraktivität der Innenstädte durch den Umstieg vom Auto auf das platzsparende Fahrrad.

Die spannende Frage: Was muss passieren, um dem Radverkehr zu einem solchen Aufschwung zu verhelfen? Thomas Gotthardt fasste die Erfolgsstrategie der Niederlande zusammen: 

1. "Von unten planen"

Der Schlüssel zum Erfolg: eine konsequente Trennung von zu Fuß Gehenden, Radfahrenden und motorisiertem Verkehr. In den Niederlanden werde zunächst der Raum für die schwächeren Verkehrsteilnehmer  festgelegt: Geh- und Radwege, die außerdem strikt getrennt seien. Dann kämen Bus und Bahn. Was danach an Raum zur Verfügung stehe, werde möglichst effizient für den Kfz-Verkehr genutzt. 

2. Sichere Kreuzungen

Der Hauptgrund, nicht Rad zu fahren, sei, dass man sich nicht sicher fühlt. Die meisten Unfälle mit Radfahrenden passierten an Kreuzungen. Diese für den Radverkehr sicher zu machen, gehöre daher in den Niederlanden zum Standard. Klar von der Straße abgegrenzte Radwege und übersichtlich gestaltete Kreuzungen seien breit, auffällig markiert und gut ausgeschildert. Dies führe zu einem deutlich gestiegenen Sicherheitsempfinden.

3. Das liebe Geld...

Niederländische Kommunen gäben im Schnitt rund 30 Euro pro Kopf für den Radverkehr aus, erklärt Thomas Gotthardt. Die Investitionsbereitschaft deutscher Kommunen in der Breite sei davon noch deutlich entfernt. Der 2021 beschlossene "Nationale Radverkehrsplan (NRVP) 3.0" sieht hier zumindest Nachbesserung vor. So solle sich die Förderung des Radverkehrs perspektivisch an einem Betrag von rund 30 Euro je Person und Jahr orientieren, wobei hier die Förderung durch Bund und Länder bereits eingerechnet ist. 

Die Voraussetzung - ein "Umdenken im Kopf" 

Wer die Verkehrswende ernsthaft will, kommt nicht umhin, den zur Verfügung stehenden Platz umzuverteilen. Das gibt oft böses Blut und verleitet dazu, Fronten aufzubauen: Treibstofffressende SUVs, rücksichtslose Kampf-Radler und in ihr Handy vertiefte zu Fuß Gehende sind gerne strapazierte "Feindbilder". Es gehe jedoch nicht jedoch darum, Verkehrsarten gegeneinander auszuspielen, betont Thomas Gotthardt. Die Niederlande hätten hier einen deutlich entspannteren Ansatz. Viele Niederländer besäßen ein Auto, nutzten aber für ihre Strecken das jeweils schnellste und praktischste Verkehrsmittel. Und für innerstädtische kurze Wege ist das Fahrrad bei entsprechender Infrastruktur dem Auto in beiden Belangen überlegen. 

Das Schlusswort seines Vortrags überließ Thomas Gotthardt einem politischen Entscheidungsträger aus unserem ebenfalls sehr radaffinen Nachbarland Dänemark:

Die Kopenhagener radeln nicht aus Überzeugung und nicht wegen einem schlechten Umweltgewissen. Sie radeln, weil es heute die schnellste und bequemste Möglichkeit ist, hier vorwärts zu kommen. Wir sind nicht grüner als alle anderen und wir sind genauso faul wie ihr. Aber wir haben dafür gesorgt, dass in dieser Stadt nichts praktischer ist als zu radeln.

Morten Kabell, ehemaliger Umweltbürgermeister von Kopenhagen

Die anschließende rege Diskussion mit zahlreichen Fragen und Beiträgen zeigte deutlich, wie groß das Interesse und die Bereitschaft ist, auf das Fahrrad umzusteigen. Die Voraussetzung: Fahrradrouten müssen sicher und einladend sein und den Menschen Lust machen aufs Radfahren. Dazu gilt es, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. 


https://bw.adfc.de/neuigkeit/rueckenwind-fuer-den-radverkehr-was-wir-von-den-niederlanden-lernen-koennen-1

Bleiben Sie in Kontakt