
ADFC-Fahrradklima-Test 2024: Ergebnisse für Baden-Württemberg
Die Ergebnisse zeigen: Wo ein Wille ist, ist auch ein Radweg - gezielte Förderung vor Ort wirkt!
Der ADFC-Fahrradklima-Test ist eine der größten Umfragen zur Zufriedenheit von Radfahrenden weltweit und gilt als wichtiger Indikator für die Fahrradfreundlichkeit deutscher Städte. Er wird alle zwei Jahre vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) mit Unterstützung des Bundesverkehrsministeriums durchgeführt. 2024 nahmen bundesweit rund 213.000 Personen teil, davon 29.609 in Baden-Württemberg. Insgesamt erfüllten 172 Kommunen im Land die Mindestteilnahmezahl, deren Einwohner*innen etwa 58 % der Bevölkerung abdecken.
Der Test erfasst mithilfe von 27 Basisfragen und 5 Sonderfragen (diesmal zum Thema „Miteinander im Verkehr“) die Wahrnehmung von Sicherheit, Komfort, Infrastruktur, Verkehrsklima und Stellenwert des Radverkehrs. Bewertet wird auf einer sechsstufigen Notenskala, die Durchschnittsnote für Baden-Württemberg liegt 2024 bei 3,80 – und damit auf stagnierenden Niveau seit 2016. Nur 4 Kommunen erreichen bessere Noten als 3,0, während sogar 10 Städte schlechter als 4,25 abschneiden.
Gezielte Fahrradförderung vor Ort wirkt!
An der Spitze steht erneut Rutesheim (Note 2,40), gefolgt von Ettlingen, Tübingen, Eislingen, Freiburg und Karlsruhe. Diese Städte zeigen, dass konsequente Radverkehrsförderung – unabhängig von der Stadtgröße – Wirkung zeigt. Tübingen überzeugt durch mutige Maßnahmen wie Straßensperrungen für den motorisierten Verkehr, neue Radachsen und eine deutliche Flächenumverteilung zugunsten des Radverkehrs.
Am Ende der Rangliste stehen Donzdorf (4,76), Pforzheim (4,48) und Sindelfingen (4,49). Hier fehlt der politische Wille: Ohne konsequente Maßnahmen in eine sichere und sinnvolle Radinfrastruktur geht nichts voran. Besonders die mangelnde Kontrolle von Falschparkern auf Radwegen sowie Umlaufsperren werden kritisch bewertet.
Bewertung einzelner Kategorien
Die besten Noten in Baden-Württemberg gibt es für die Erreichbarkeit des Stadtzentrums (2,63), die Öffnung von Einbahnstraßen (2,96) und das zügige Radfahren (3,02). Besonders schlecht schneiden dagegen die Führung an Baustellen (4,54) und die Kontrolle von Falschparkern (4,50) ab. Diese Ergebnisse zeigen deutlichen Handlungsbedarf bei Verwaltung und Verkehrsplanung.
Wichtige Themen wie Sicherheitsgefühl (Note 4,1) und gesellschaftliche Akzeptanz von Radfahrenden (3,7) werden von den Befragten als besonders relevant eingeschätzt – jedoch auch als verbesserungswürdig bewertet. Werbung oder Kampagnen spielen für die Wahrnehmung hingegen eine geringere Rolle.
Vergleich mit anderen Bundesländern
Im bundesweiten Vergleich liegt Baden-Württemberg insgesamt leicht über dem Durchschnitt und schneidet insbesondere in den Großstädten gut ab (z. B. Freiburg, Karlsruhe, Tübingen). Positiv hervorgehoben werden die kostenlose Fahrradmitnahme im ÖPNV, die Fahrradförderung und die Wegequalität. Nachholbedarf besteht vor allem im ländlichen Raum und in kleinen Kommunen ohne eigenes Radverkehrsmanagement.
Zeitverlauf und Entwicklung
Seit 2016 stagniert die Durchschnittsnote landesweit bei etwa 3,8–3,9. Verbesserungen im Komfort und in der Infrastruktur sind punktuell sichtbar, aber noch nicht flächendeckend. Gründe für stagnierende Bewertungen liegen auch in der gestiegenen Erwartungshaltung vieler Bürger:innen – insbesondere durch den Vergleich mit Vorreiterkommunen. Städte wie Ettlingen, Eislingen und Tübingen konnten sich deutlich verbessern, während Leonberg, Weinheim oder Bad Rappenau schlechter abschnitten.
Sonderbefragung „Miteinander im Verkehr“
Das Miteinander zwischen verschiedenen Verkehrsteilnehmenden wird weiterhin kritisch bewertet. Nur 15 % der Radfahrenden in Stuttgart empfinden das Verhalten im Verkehr als freundlich und rücksichtsvoll, in Tübingen sind es immerhin 61 %. Konflikte entstehen vor allem im Kontakt mit dem Kfz-Verkehr, während das Miteinander unter Radfahrenden weitgehend unproblematisch ist. Wo gute Radinfrastruktur vorhanden ist, verbessert sich auch das soziale Klima im Straßenverkehr.
Handlungsempfehlungen
Der ADFC betont, dass systematischer Ausbau des Radnetzes wirkt, wenn er konsequent umgesetzt und finanziell abgesichert ist. Besonders kleinere Kommunen benötigen mehr Unterstützung, um Radverkehr strategisch zu fördern. Neben baulichen Maßnahmen sind auch Bewusstseinsbildung und verkehrspolitische Vorgaben entscheidend, um gegenseitigen Respekt zu stärken.
Ein zentrales Ziel bleibt die „Vision Zero“ – keine Verkehrstoten. Dafür braucht es konsequente Kontrollen, sichere Wege und eine inklusive Infrastruktur, die alle Bevölkerungsgruppen einbezieht. Zudem sollten Fördermittel langfristig verstetigt und leichter zugänglich gemacht werden, um den Radverkehrsanteil auf 20 % zu erhöhen.
Fazit
Der Fahrradklima-Test zeigt: Baden-Württemberg hat beim Radverkehr in vielen Städten deutliche Fortschritte erzielt, steht aber weiterhin vor großen Herausforderungen. Die Durchschnittsnote von 3,8 belegt, dass das Radfahren vielerorts noch nicht sicher und komfortabel genug ist. Dennoch beweisen zahlreiche Kommunen, dass engagierte Politik, klare Ziele und Investitionen den Unterschied machen – und das Fahrrad eine zentrale Rolle für eine nachhaltige, gesunde und klimafreundliche Mobilität der Zukunft spielt.








