Kein Wandel beim Fahrradklima
Der Radverkehr ist in aller Munde, aber auf den Straßen tut sich noch zu wenig: Der ADFC-Fahrradklima-Test 2020 zeigt, dass die Situation nach wie vor unbefriedigend ist. Lediglich in den größten Städten geht es leicht voran.
Seit Beginn der Corona-Pandemie gibt es nur in Städten über 500.000 Einwohner*innen deutliche Signale zu mehr Fahrradfreundlichkeit – das ist das positivste Ergebnis der Umfrage unter Deutschlands Radfahrer*innen.
Knapp 230.000 Menschen haben bei der Umfrage mitgemacht und damit erneut für einen Teilnahmerekord gesorgt. Das zeigt: Für immer mehr Menschen ist das Thema relevant. Wenig rekordverdächtig ist jedoch die Durchschnittsnote, die dabei herausgekommen ist: Wie beim ADFC-Fahrradklima-Test 2018 lag sie für ganz Deutschland bei ernüchternden 3,9.
Alle Ergebnisse
Das Städteranking und alle weiteren Ergebnisse des ADFC-Fahrradklima-Tests 2020 zum Download finden Sie hier. Dazu gibt es eine interaktive Ergebniskarte zum schnellen Auffinden der Ergebnisse einzelner Städte.
Die besonders in größeren Städten zunehmende Fahrradnutzung und das gestiegene mediale Interesse am Radverkehr haben noch nicht dazu geführt, dass die Menschen sich wohler fühlen, wenn sie auf dem Rad sitzen. Immerhin hat sich der Durchschnitt nicht weiter verschlechtert, wie es bei den vergangenen Umfragen der Fall gewesen war.
Hoffnungsschimmer in Großstädten
Trotzdem tut sich etwas: Besonders in den größten Städten wurden die Fahrradförderung und die Werbung fürs Radfahren deutlich positiver bewertet als beim letzten ADFC-Fahrradklima-Test vor zwei Jahren. In den Großstädten haben sich auch das Sicherheitsgefühl und der Spaß beim Radfahren leicht verbessert.
Zu beachten ist, dass Effekte aus Investitionen nicht umgehend spürbar sind. Wenn Städte oder Gemeinden die Corona-Pandemie zum Anlass genommen haben, in Sachen Radverkehr aktiv zu werden, hat sich das womöglich noch nicht spürbar in den Ergebnissen niedergeschlagen.
Negativer Trend hält an
Insgesamt hält der negative Langzeittrend bei Spaß, Sicherheitsgefühl, Konflikten mit Kfz sowie mangelnde Breite und Oberfläche der Radwege jedoch an. Die ADFC-Vizebundesvorsitzende Rebecca Peters sagt: „So hart das klingt: Corona hat zwar eine Welle der Berichterstattung über das Radfahren gebracht – und enorme Umsatzsteigerungen für den Fahrradhandel. Aber reale Verbesserungen bei der Infrastruktur erleben die Radfahrenden weiterhin nicht, von ganz wenigen Lichtblicken mal abgesehen.“
Am wichtigsten sind den Radfahrenden ein gutes Sicherheitsgefühl, die Akzeptanz von Radfahrenden durch andere Verkehrsteilnehmende sowie ein konfliktfreies Miteinander von Rad- und Autoverkehr.
Das Erlebnis auf den Straßen ist jedoch ein anderes. Es fehlen während der Pandemie in fast allen Städten handfeste Signale für die Fahrradfreundlichkeit – mit 5,3 wurde dieser Aspekt am negativsten bewertet. Dazu kommen weitere Probleme wie zu schmale Radwege und die zu geringe Kontrolle von Falschparkenden.
Unterm Strich zu wenig
Bis auf wenige Lichtblicke sind die Erfolgsmeldungen dünn gesät. Der ADFC betont daher erneut die dringende Forderung an die Kommunen, den Radverkehr als Problemlöser ernst zu nehmen und ihm mehr Platz im Straßenraum zu verschaffen.
Durchgängige, einladende Radwegenetze im ganzen Land müssen das Ziel sein, so wie es auch das aktuelle „Sonderprogramm Stadt und Land“ des Bundesverkehrsministeriums vorsieht. Und damit Schnellbau-Radwege, mehr Tempo 30 und die Einrichtung von Fahrradstraßen ohne Durchgangsverkehr nicht immer wieder an verkehrsrechtlichen Hürden scheitern, fordert der ADFC eine grundlegende Reform des Straßen- und Baurechts.
Rebecca Peters sagt: „Kommunen erkennen zwar das Potenzial des Radverkehrs, sind aber viel zu zögerlich in der Umsetzung des Radwegeausbaus. Dabei ist die Zeit längst reif. Der Fahrradtrend ist unübersehbar, und mehrere Umfragen – unter anderen vom ADAC – zeigen eindeutig, dass die Menschen der Umverteilung des Straßenraums zugunsten von Fuß und Rad positiv gegenüberstehen und eine Förderung des Umweltverbundes ausdrücklich wollen.“
Hintergründe zum ADFC-Fahrradklima-Test
Der ADFC-Fahrradklima-Test ist eine der größten Befragungen zum Radfahrklima weltweit und wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur im Rahmen des Nationalen Radverkehrsplans gefördert.
Im Herbst 2020 fand die Umfrage zum neunten Mal statt. Vom 1. September bis 30. November 2020 hat der ADFC dazu einen Online-Fragebogen mit 27 Fragen hochgeladen – und bundesweit über Pressearbeit, Social Media und Vor-Ort-Aktionen zur Teilnahme aufgerufen. Neben der Online-Befragung gab es auch die Möglichkeit, Papierfragebögen auszufüllen.
Gefragt wurde beispielsweise, ob das Radfahren Spaß oder Stress bedeutet, ob Radwege von Falschparkern freigehalten werden, ob man sich als Verkehrsteilnehmender ernst genommen fühlt und ob sich das Radfahren auch für Familien mit Kindern sicher anfühlt. Die Antworten konnten auf einer sechsstufigen Skala gegeben werden, der Werte von 1 bis 6 vergleichbar dem Schulnotensystem zugewiesen wurden.
Die einzelnen Themenblöcke, um die es beim ADFC-Fahrradklima-Test geht, werden hier im Dossier vorgestellt. Schwerpunkt 2020 war das Thema Corona-Pandemie und Radfahren.